Grenzenlos – so würden viele von uns gerne leben. Damit dieser Wunsch beim Wohnen in Erfüllung geht, bieten Architekten und Möbelindustrie immer häufiger Lösungen an. Der Trend Blurring Boundaries beschreibt das moderne Wohnen der Zukunft durch offene Grundrisse und durch die Transparenz zwischen außen und innen. Die Lebensbereiche (halb-) öffentlich und privat, innen und außen, wohnen und kochen/ essen/ arbeiten oder baden verschmelzen dabei. Das Design von Outdoor-, Badezimmer- oder Küchenmöbel wird immer wohnlicher und Raumfunktionen werden durch freistehende Möbel oder Systeme definiert.
Illustration | Björn Steinmetzler, Koelnmesse
„Die Möbelindustrie erfindet sich gerade neu“, kommentiert Claire Steinbrück, Direktorin der imm cologne. „Die neuen Anforderungen an das entgrenzte Wohnen fordern die Entwicklung einer neuen Generation von Möbeln aus innovativen Materialien, neuwertigen Verbindungstechniken und modularen Ideen. Die Nachfrage nach raumbildenden und flexibel einsatzbaren Möbeln wird stark steigen.“
Foto | Walter Knoll
Essplatz oder Konferenzraum? Sei es im zeitgemäßen Corporate-Office oder privat im Home-Office: die Arbeitskultur wandelt sich, so auch die Einrichtung. Das Programm Leadchair Management bietet Walter Knoll jetzt auch in softer Polsterung an. Die ergonomische Funktion des Konferenzstuhls bleibt erhalten aber die Wirkung ist weicher und lässiger. Aufgrund der Polstertechnik ohne Verklebung kann der Stuhl mit einer großen Auswahl an Stoffen bezogen werden. Das Untergestell gibt es hochglanzpoliert und matt-pulverbeschichtet in Schwarz oder Bronze.
Grenzenloser Wohnen
Die Anforderungen ans Wohnen verändern sich derzeit rasant. Der Trend geht zu Ein- bis Zweiraum-Wohnungen mit großzügigem Loft-Feeling. Immer mehr Singles suchen anspruchsvolle Wohnungen bei knappem Raumangebot und wollen sich frei von Konventionen einrichten. Dazu kommen je nach individueller Situation ein bis zwei Schlaf- oder Arbeitszimmer. Familien haben dagegen auch bei großen, offenen Grundrissen eher Bedarf an einem separaten Eingangsbereich und abschließbarem Raum. Trotzdem sind auch hier helle, lichtdurchflutete Räume und große Küchen mit offenem Übergang zum Wohnbereich gefragt. Der Esstisch zum Dreh- und Angelpunkt des Familienlebens.
Foto | e15
Erst kürzlich wurde Richard Herre als wichtiger Vertreter der Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre und einflussreiche Figur des Deutschen Werkbund in Stuttgart wiederentdeckt. Mit ihm wurde jetzt die Kollektion eines sehr produktiven deutschen Architekten, Innenarchitekten, Grafikers und Autoren ins Portfolio von e15 aufgenommen. Damit führt der Hersteller seine Auseinandersetzung mit Entwürfen von Protagonisten der Moderne fort.
Statt separater Zimmer zeigen moderne Wohnungen also ein offenes Raumgefüge. Bei kleinteiligen Altbauten werden statisch nicht notwendige Wände entfernt, um diesen Effekt zu erreichen. Helle Räume werden durch Wintergärten sowie ausgebauten Dachgeschossen geschaffen und schwellenlose Fensterfronten erweitern den Raum auch optisch nach außen.
Jedoch kein Trend ohne Gegentrend: Durch Corona stieg die Verweildauer im eigenen Heim, sodass abgetrennte Zimmer wieder wichtiger werden. Diese Erfahrungen machen Zwei-Personen-Haushalte, aber auch viele Familien. Rückzugsorte für das Arbeiten zu Hause oder die Entspannung bieten separate Arbeitszimmer oder ein Private Spa. Architekten werden daher in Zukunft vermehrt Immobilien mit flexiblen Raumaufteilungen und Nutzungsmöglichkeiten planen, sodass im Idealfall ein großzügiges Wohnambiente mit kleineren Raumangeboten kombiniert werden kann.
Foto | COR
Mit Jalis21 hat COR sein Sofaprogramm weiterentwickelt. Verschwunden sind die Podeste, die Polster sind nun üppiger und stehen bodennah. So wird viel besser als mit der ersten Generation die ursprüngliche Inspiration vermittelt: Die orientalische Tradition des Sitzens und Ruhens.
Akzente setzen mit Mix & Match
Bis auf Einbauschränke sind hier überwiegend Solitärmöbel angesagt. Die Einzelstücke müssen gut kombinierbar sein, also eigenen sich hier hervorragend Einrichtungsgegenstände mit Klassiker-Qualitäten. Somit lässt sich die richtige Balance finden: eigenständig, aber nicht extrovertiert, gefällig, aber nicht langweilig.
Geeignete Solitäre sind beispielsweise:
- Leuchten, die Akzente setzen
- Tische, die als Ess- und Arbeitsplatz überzeugen
- freistehende Sofas
- Schränke, die als Stauraum und Wand dienen
- Raumtrenner, die beidseitig Funktionen ermöglichen
- mobile Möbel für Indoor und Outdoor
Foto links | Hind Rabii, Foto rechts | Midgard
Foto links: Wie ein Radar mutet der der flache, konkave Leuchtschirm der Stehlampe Infinity von Hind Rabii an, der nach oben oder nach vorne leuchten kann. (Design: Chiaramonte Marin Studio)
Foto rechts: Im Jahr 2020 auf der imm cologne noch als Prototyp vorgestellt, ist die Leuchte Ayno von Midgard jetzt im Handel erhältlich. Neigung und Radius des Bogens aus dünnem, biegbaren Fiberglas, lässt sich über zwei Verstellringe und das dazwischen gespannte Kabel justieren. (Design: Diez Office)
Foto | brühl, Michael Danner
Gelungener Mix & Match: hier werden zwei Sofas des Wohnprogramms Bongo Bay von brühl frech und fröhlich mit anderen Solitären kombiniert. Das Programm umfasst Sofas, Sessel ,Loungemöbel und Poufs, die mit Stoffen in gedeckten wie auch knalligen Farben oder mit wilden Mustern angeboten werden.
Funktionen markieren durch raumbildende Möbel
Wenn verschiedene Funktionen in einem Raum genutzt werden, muss die Einrichtung diese markieren oder voneinander abgrenzen. Einzelne Nutzungsbereiche können etwa durch (bewegliche) Trennwände oder auch feste Einbauschränke zoniert werden. In großen Räumen übernehmen zunehmend Möbel und Einrichtungsgegenstände diese Aufgabe. Das modular aufgebaute Sofa steht für die Ruhezone, der Esstisch wird zur Working Zone, und Regale werden als Raumtrenner eingesetzt. Die passenden Solitärmöbel haben deshalb keine reine Schokoladenseite mehr, sondern sind von allen Seiten attraktiv. Auch unterschiedliche Farben und Materialien bei Boden- und Wandbelägen oder Vorhängen sorgen für Struktur.
Foto | Gyform
Ein Hingucker beim Sofa Mojito von Gyform sind die Füße, die auffällig an der Vorderseite angebracht sind. Sie sind mit einem Band umwickelt, das im Farbton der Sofapolsterung oder bewusst als Kontrast gestaltet werden kann. Durch die Schlichtheit eignet es sich für die Zonierung eines Wohnbereichs.
Freiheit durch Flexible Nutzung
Das offene Wohnen eröffnet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Kein Wunder, wenn da die Lust aufs Umdekorieren wächst. Darum entsteht eine neue Generation von Möbeln, die in unterschiedlichen Situationen einsetzbar sind. Ein Hocker kann dann schon mal im Badezimmer, im Wohnraum, im Homeoffice oder auf der Terrasse genutzt werden. Regale, Garderoben, Konsolen und Schränke können als mobile Elemente öfters mal den Raum wechseln. Schicke Beistelltische sind häufig auch als Sitz nutzbar oder umgekehrt: Poufs werden zum Beistelltisch und das modulare Sofa kann ohne großen Aufwand auch mal anders zusammengebaut werden.
Häufig sind solche mehrfach einsetzbaren Möbel vom Outdoorbereich inspiriert, die das offene Lebensgefühl widerspiegeln. Dieser Stil greift auch im Loft- Konzept moderner Grundrisse. Nicht umsonst sind bewegliche, mit Rädern ausgestattete Möbel, allen voran die klassischen Servierwagen, mit denen sich bequem nicht nur zwischen Küchen- und Wohnbereich, sondern auch zwischen innen und außen wechseln lässt, aktuell besonders angesagt.
Foto | Auping
Mobile Liegefläche: Das Noa Daybed von Auping besteht aus Naturholz und ist mit Rädern ausgestattet. Die passende Matratze und Kissenrolle gibt es in zwei verschiedenen Farboptionen: Clara Yellow und Light Grey. (Design: Eva Harlou)
Outdoor Living – die Verbindung zur Natur
Und überhaupt: Der Trend zum Outdoor Living hat den Möbelmarkt verändert. Seit ein paar Jahren gewinnt das „zweite Wohnzimmer“ immer mehr an Bedeutung. Egal, ob großer Garten oder kleine Mietwohnung: Balkon, Terrasse oder Garten werden aufgemöbelt. Mit hochwertigen und cleveren Möbelkonzepten, wasserabweisenden Stoffen und Leuchten wird der Freisitz immer häufiger zum vollwertigen Wohnraum ausgebaut.
Foto | Emu
Emu hat eine vollständig geschweißte Struktur aus innen und außen verzinkten Stahlrohren. Alle Kissen bestehen aus Polyurethan-Kautschuk, dem eine Schicht aus Polyesterfaserharz hinzugefügt wird. Zudem werden sie durch einen wasserabweisenden inneren Kissenbezug aus Polyamid zusätzlich geschützt. (Design: Anton Cristell und Emanuel Gargano)
Die neuen Möbel für Garten und Terrasse sind aus Holz, Metall, Korb und Kunststoff, Baumwolle oder PVC, Stein, Beton oder Verbundstoff. Die Form orientieren sich nicht mehr an klassischen Terrassenmöbeln, sondern an dem, was im Wohnzimmer steht. Hauptsache schick. Umgekehrt wird inzwischen das Design vieler Sofas für den Wohnbereich von den schlichten, loungigen Outdoormöbeln beeinflusst. Es scheint, als ob auf diesem Weg frische Luft, Sonne und Freiheit ins Wohnzimmer transportiert werden soll.
Beide Wohnraumtypen beeinflussen sich gegenseitig und tauschen auch schon mal ihre Ausstattung aus. Mit der Corona-Krise wird der Wunsch nach einem Garten, einer (Dach-)Terrasse, einem Balkon oder einem gemeinschaftlich genutzten Hinterhof noch größer. Immobilien werden zunehmend nach der „grünen“ Verbindung zur Natur ausgewählt und steigen mit Garten oder Dachterrasse merklich im Wert.
Aus dem Haus ins Freie: Mit neuen verzinkten Standpfosten und einer Rückwand kann das String System Outdoor nun auch als freistehende Variante im Freien verwendet werden. Das Regalsystem steht selbständig durch die knapp ein Meter hohen Pfosten mit verstellbarem Fuß. Somit ist es von allen Positionen zugänglich und hält für Gärten und Terrassen vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten bereit. Die mit Löchern versehene Rückwand bietet Platz für Haken, an denen Werkzeuge, Blumentöpfe und Co. befestigt werden können. (Design: Anna von Schewen)
Autoreninfo: Karin Galán ist Innenarchitektin und lässt sich gern von Designern inspirieren. Hier hat sie sich auf der Kölner Möbelmesse umgesehen und dabei den Trend „Blurring boandaries“ entdeckt – die Sehnsucht nach Freiräumen – die nach der Corona-Zeit auch viele Designer erfasst hat.